Der Begräbnistag
Es war der 24.6.23
Am Morgen war ich nervös. Die letzten Wochen habe ich auf diesen Tag hin gelebt. Es ist ein Tag des Abschieds und danach weiss ich, ist viel geschafft. Beruhigt hat mich die Zusage des Pfarrers, es werde ein tröstlicher Tag. „Ihr werdet getragen sein von Familie und Freunden“ und dem war auch so. Diesen Tag selbst zu überstehen war mein großes Ziel.
Ich bin früh los zur Kirche. Wollte unbedingt bei Ankunft des Sarges vor Ort sein. Severin keine Sekunde alleine lassen und ihm nahe sein war meine größte Sehnsucht. Innerlich meine Frage, wen der unzähligen Menschen begrüßte ich? Alle Augen sind auf einen gerichtet. Die Gäste halten die Situation ja kaum selbst aus.
Ich bin in Watte gepackt.
Meine Familie und Kinder in der Nähe zu wissen für den Gottesdienst war sehr wichtig. Ich hatte das Bedürfnis „gehalten“ zu sein. Die Kirche war reich gefüllt. Severin in unserer Mitte.
Ich bin im Tunnel.
Ich sehe nur Severin und meine Kinder. Wunderbare Musik. Die Messe, das Gebet und die Gemeinschaft taten gut.
Ich hatte keine Träne.
Ich konnte fest stehen und Abschied nehmen.
Es war klar für mich ein paar Worte zu Severin zu sprechen- sie wurden mir an einem Morgen in meinem Bett ein paar Tage vorher „geschenkt“. Sie überraschten mich selbst und geben mir bis heute Richtung und Halt:
Mein liebster Severin
Dein Aufbruch in den Himmel.
Wo bist du?
Wie geht es dir?
Hast du gelitten?
Wie geht es hier weiter?
Fragen über Fragen in meinem Kopf.
Wir alle stehen Angesichts deines Todes vor einer sehr großen Aufgabe. Du hattest selten Schwierigkeiten mit dem Lösen deiner Aufgaben. Deine Freunde hast du genervt mit deiner kaputten Uhr die Zeiger auf fünf vor zwölf und dem ständigen Apel: Zeit zu Handeln.
Dieser Apel sagt mir für heute:
Severin ich und wir schauen in diesem Moment nicht zurück sondern nach Vorne. Ich möchte für mich und uns alle immer mehr begreifen was dich jetzt und uns alle eines Tages erwartet.
Da sprechen wir alle vom Himmel.
Mich hat Gott am 4. Mai auf den Himmel eingestimmt durch einen gemeinsamen Zoom Call bei FamilyHomes über die Sehnsucht nach dem Himmel. Seit drei Wochen lese ich das Buch Meine Zeit im Himmel von Richard Sigmund. Ist das nicht ein unglaubliches Geschenk des Himmels mein Herz so vorzubereiten?
Was ich dabei gehört und gelesen habe ist unheimlich tröstlich. Dort ist eine unfassbare Schönheit, Weite, Geborgenheit und Friede. Ich stelle mir vor all deine Leidenschaften kannst du dort hundert mal schöner, tiefer und wahrer erleben. Du bist dort, an diesem Himmelsort – niemand und nichts kommt ihm jemals gleich.
Dein Lebensmotto aus deinem Abiturbericht
„sky is the Limit“ wird heute zu „ you in the sky without Limit“.
Dein Tod lässt mich erkennen:
Die Zeit hier auf Erden ist uns gütig geschenkt- laßt uns mit Weisheit Wesentliches leben.
Du hast die reale Begegnung mit den Menschen geliebt und dabei warst du bereit zum Geben- lasst uns mutig einander begegnen. Das Glück finden wir im Geben nicht im Nehmen.
Dein Tod ist deshalb zu tragen durch die Hoffnung und die stetig in mir wachsenden Gewissheit auf unser Wiedersehen im Himmel.
So schließe ich mit deinem Abendgebet aus deiner Kindheit das wir gemeinsam täglich gebetet haben. Ich habe den letzten Satz für Dich heute angepasst:
Lieber Gott nun schlaf ich ein, schicke mir ein Engelein, das getreulich bei mir wacht durch die ganze lange Nacht. Hab ich Unrecht heut getan sieh es mir nicht an. Schütze alle die mir lieb, alles Böse mir vergib, kommt der helle Himmelsschein lässt er mich immer fröhlich sein. Amen
Der Gesang der Priester zur Aufnahme Severins in den Himmel am Friedhof fiel tief in mein Herz.
Dann dieser unsagbar schwere Moment des Herablassen des Sarges in die Erde. Diese Tiefe des ausgehobenen Lochs. Das nicht mehr Wiedersehen. Der tatsächliche Abschied mit Blumen und Zweigen und Erde. Es war ein Moment in dem ich innerlich nicht verweilen konnte. Zu schwer - untragbar.
Das kann die Seele nur Stück für Stück annehmen und begreifen und das im eigenen stillen Rhythmus der Zeit.
Keine Träne.
Dann viele liebevolle Menschen, wunderbarer Rahmen und viele unfassbar viele junge Menschen. Ein großes Geschenk bei Sonnenschein.
Zu fast keinem Schritt war ich mehr fähig. So kroch ich über das Grab nach Hause um zu atmen.
Es ist geschafft.
Gott du mein Gott du siehst meinen Schrei. Komm du mir entgegen.
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