Klagen

Im Spätherbst besuche ich eine christliche Traumatherapeutin. Nach einer Sitzung mit ihr gibt sie mir den Auftrag das Klagen zu erlernen. 

Ich kannte diese Art des Gebetes nicht. Es war für mich ein neues Übungsfeld und fühlte sich ungewohnt an. Die Aufgabe lautete: "so konkret wie möglich zu klagen, für eine gewisse Zeitspanne und anschließend das Licht Gottes empfangen". Ich beschloss die Adventszeit dafür zu nützen. Jeden Morgen begab ich mich in meinen Gebetsraum um eine halbe Stunde zu klagen. 

Ich fasste den Mut meine Schmerzpunkte meines gesamten Lebens neu zu betrachten. Die Kindheit, die Schulzeit, die Klosterzeit, die Ehezeit, der Unfall meine Mannes, die Trennungszeit, mein Schmerz mit meiner Ursprungsfamilie etc.. Ich betrachtete mich in konkreten Situationen und ich hielt den Schmerz konkret wörtlich fest. Das war innerliche Schwerstarbeit. Da kam Wut, Trauer, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Erschöpfung und dauerhafte Fragen.

Eine tiefe Erschütterung bringt deine Grundfestigkeit ins wanken. Da werden Steine verschoben, Wurzeln heben sich, Kiesel entstehen, Erde drück sich empor. Das Fundament bekommt Risse und Furchen. Schmerzpunkte deines Lebens drücken sich nach außen. Es ist die Aufgabe diese neu zu spüren, zu benennen, zu ordnen und zu sortieren. Der Neuaufbau kann nur durch hinsehen und bearbeiten erfolgen. Diese innerliche Arbeit vollziehen kostet Kraft, Zeit und Mut. 

Ich habe dabei nie vergessen- Gott ist an meiner Seite. Nach jedem Klagen öffnete ich meine Hände und meinen Geist und empfing Gottes Licht. Ich machte mir bewußt Gott ist da. Er leidet mit. Er trägt meinen Schmerz. Er ist der Tröster. Diese biblischen Wahrheiten jeden Tag zu empfangen ist kostbar. So verinnerlichen sie sich. So lerne sich sie zu fühlen, zu erleben zu spüren. Mal erlebte ich Gottes Nähe, mal spürte ich Gottes Umarmung, mal empfing ich ein Wort der Ermutigung. So entstand ein Prozess der Heilung:

Der Schmerz bekommt eine Richtung. Ich kann Gott mit meinem Schmerz "belasten". Die Klage führt mich in meine eigenen Wahrheit. Ich halte inne und übergehe mich selbst nicht. Ich beachte meinen Schrei in mir. Meine Klage kanalisiert meinen Schmerz. Gottes Licht und Gegenwart heilt. Ich "umarme" den Tod und meinen Schmerz. Er verändert sich. Meine Reise ist nicht zu Ende, die Klagezeit ist kostbarer Bestandteil meines neuen Lebens. 

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