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Klagen

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Im Spätherbst besuche ich eine christliche Traumatherapeutin. Nach einer Sitzung mit ihr gibt sie mir den Auftrag das Klagen zu erlernen.  Ich kannte diese Art des Gebetes nicht. Es war für mich ein neues Übungsfeld und fühlte sich ungewohnt an. Die Aufgabe lautete: "so konkret wie möglich zu klagen, für eine gewisse Zeitspanne und anschließend das Licht Gottes empfangen". Ich beschloss die Adventszeit dafür zu nützen. Jeden Morgen begab ich mich in meinen Gebetsraum um eine halbe Stunde zu klagen.  Ich fasste den Mut meine Schmerzpunkte meines gesamten Lebens neu zu betrachten. Die Kindheit, die Schulzeit, die Klosterzeit, die Ehezeit, der Unfall meine Mannes, die Trennungszeit, mein Schmerz mit meiner Ursprungsfamilie etc.. Ich betrachtete mich in konkreten Situationen und ich hielt den Schmerz konkret wörtlich fest. Das war innerliche Schwerstarbeit. Da kam Wut, Trauer, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Erschöpfung und dauerhafte Fragen. Eine tiefe Erschütterung bringt deine Grundf...

Schmerz

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Den Verlust und meinen Schmerz durchleben war meine Entscheidung. Nicht weg packen sondern „anschauen“. Es kostet mich Mut. In den ersten Wochen war meine Seele in Watte gepackt. So war ich geschützt und funktionierte. Doch das was mir fehlte waren meine Tränen. Ich sehnte mich nach meinen Tränen. In mir die Frage „trauere ich richtig“? Was ist schon richtig? Es kam der Tag, da begann diese unsichtbare Schale um mein Herz sich in kleinen Schritten zu lockern. Der Schmerz tauchte auf. Er drückt sich plötzlich körperlich nach „draußen“. Zu Beginn waren dies für mich Operationen am offenen Herzen ohne Narkose. Ich lag auf meinem Bett und winde mich im Schmerz. Er ist so überbordend- nicht zu halten -massiv - sich nach außen drückend. Diese Operationen dauerten ungefähr 30 min. Die innerliche Erschöpfung war groß. Innerlich war ich danach für 1,5 Tage „erstarrt“.  Immer wieder erfasste mich der Schmerz. Erneut erlebte - durchlebte ich eine erneute Operation.  Im nächsten Schritt g...

Trauer der Geschwister

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Jeder trauert einzigartig. Es ist ein individueller Weg. Es liegt nicht an den Außenstehenden zu beurteilen wie jeder Einzelne trauert. Ich merke nur meine eigenen Kinder im Schmerz zu sehen und selbst in der Trauer zu sein ist unerträglich. Das überfordert mich. Ich weiss nicht wie ich ihnen helfen kann. Ich biete mich immer wieder zum Gespräch an und stelle dabei fest, sie machen ihre Trauer mit sich selbst oder ihren Freuden aus. Im Laufe der Zeit verstehe ich - sie wollen mich oder uns Eltern nicht unnötig belasten.  Meine persönliche Trauer begegnen sie beobachtend. Jeder ist mit sich und seinem Inneren unterwegs. Wir lernen einander Raum zu geben, sein zu lassen und bleiben still in der Hoffnung, daß jeder auf seinem Weg ist und bleibt.  Natürlich frage ich mich ist jeder auf einem „gesunden“ Weg? Wer kann das schon beurteilen noch einschätzen? Ich lerne es ist ein unbeschriebener Weg - ein Weg der nur Schritt für Schritt erlernt und gegangen werden kann. Zuversicht in s...

Bedürfnisse

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  Eine wichtige Fähigkeit im Leben ist, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und ihnen Gewicht zu geben. Nicht immer so leicht bei vielen Interessen und Nöten die an einem zerren. Besonders in tiefen Erschütterungen ist es besonders schwer, das Eigene zu erspüren und zu leben.  Mein Bedürfnis war es von Beginn an viel über Severin und seinen Tod zu sprechen. Mir wurde schnell klar dieses Bedürfnis überfordert, fordert und bringt viele Unsicherheiten mit sich. Doch immer noch schätze ich Menschen, die den Mut entwickeln mich auf dieses Thema anzusprechen.  Zusätzlich ist die Nähe zur eigenen Stammfamilie sehr wichtig. Jeder Anruf, Momente des Beisammenseins und der Fürsorge ist Balsam für die Seele. Die eigenen Familie kann schwer ersetzt werden. Natürlich sind gegenseitige Verletzungen Teil des gemeinsamen Lebens. Sie zu betrachten kostet immer Mut und der adäquate Moment dazu wird offenbar werden. Vertrauen in Chancen der Versöhnung in der Erschütterung ist nicht zu unte...

Menschen begegnen in Erschütterung

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 In meiner tiefen Erschütterung Menschen zu begegnen ist eine besondere Herausforderung. Viele Menschen nehmen Anteil und dies ist für Jeden eine große Herausforderung. Viele müssen selbst weinen während der Begegnung mit mir. Ich selbst bin beschäftigt mit der Frage wie trauere ich richtig? Wo sind meine Tränen? Mein Herz ist in Watte gepackt. Die Anteilnahme der vielen Menschen ist schön für mich. Ich spüre viel Liebe und Trost.  Viele Momente des Tages sind indifferent. Fragen wie- "was kann man dir Gutes tun"- sind nicht zu beantworten. "Melde dich wenn du etwas brauchst" ist unmöglich. Die Dinge kommen auf einen zu und die Fähigkeit Bedürfnisse zu äußern fast unmöglich. Gefühlt steht man innerlich vor einer Wand und die Frage "wie geht das Leben weiter" steht im Zentrum.  Viele Menschen beginnen zu schweigen. Ihre eigenen Probleme erscheinen ihnen als ein Nichts und nichtig. Ich selbst stelle mir die Frage wie gehe ich mit der spürbaren Hilflosigkeit ...

Der Begräbnistag

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  Es war der 24.6.23 Am Morgen war ich nervös. Die letztenWochen habe ich auf diesen Tag hin gelebt. Es ist ein Tag des Abschieds und danach weiss ich, ist viel geschafft. Beruhigt hat mich die Zusage des Pfarrers, es werde ein tröstlicher Tag. „Ihr werdet getragen sein von Familie und Freunden“ und dem war auch so. Diesen Tag selbst zu überstehen war mein großes Ziel.  Ich bin früh los zur Kirche. Wollte unbedingt bei Ankunft des Sarges vor Ort sein. Severin keine Sekunde alleine lassen und ihm nahe sein war meine größte Sehnsucht. Innerlich meine Frage, wen der unzähligen Menschen begrüßte ich? Alle Augen sind auf einen gerichtet. Die Gäste halten die Situation ja kaum selbst aus.  Ich bin in Watte gepackt.  Meine Familie und Kinder in der Nähe zu wissen für den Gottesdienst war sehr wichtig. Ich hatte das Bedürfnis „gehalten“ zu sein. Die Kirche war reich gefüllt. Severin in unserer Mitte.  Ich bin im Tunnel.  Ich sehe nur Severin und meine Kinder. Wunde...

Zwischen Tod und Beerdigung

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  Es ist unfassbar. Jede Seele sucht nach ihrem eigenen Weg und trotzdem erleben wir eine tiefe Verbundenheit und Einheit. Wir warten auf Severin aus Kirgistan. Wie lange wird es dauern? Wie wird er aussehen? Kann ich ihn nochmals ansehen?  Mir ist bewußt ich möchte ihn unbedingt nochmals sehen. Es ist ein tägliches warten und hoffen.  Dann ist er da der Tag der Begegnung. Um die Mittagsstunde treten wir Eltern gemeinsam vor den Sarg. Wir bringen eine Garnitur seiner alltägliche Kleider mit- ein Streifenhemd, eine beige Hose und seine schwarzen Socken. Auch ein paar seiner Sportschuhe finden Platz.  Er ist so wunderschön anzusehen. Ich kann es euch gar nicht beschreiben wie unfassbar schön und friedlich er liegt. Für mich ist es ein Wunder. Er ist durch einen Unfall verstorben und seine Schönheit und der Frieden erfüllt den Raum. Gleichzeitig ist der Schmerz grenzenlos. Doch ich bin getragen, getröstet und verbunden. Ist das nicht ein Moment der Gegenwart des Himmels...